Nahverkehr

Sprechtag für U-Bahn-Fahrgäste

Wenn die Berliner U-Bahn in den letzten Jahren in die Schlagzeilen geriet, so war der Anlaß dafür allzu oft wenig erfreulich. Gründe gab es also genug, der Einladung des Berliner Fahrgastverbandes IGEB zu folgen und am 27. April 1995 im Rahmen der 12. Schienenverkehrs-Wochen den Sprechtag für U-BahnFahrgäste zu besuchen. Der BVG-Untemehmensbereichsleiter für die U-Bahn, Herr Dr. Lipinsky, und vier Mitarbeiter hatten dann auch gut zu tun, als sie sich den Fragen und Kritiken der Besucher stellten.

Herr Dr. Lipinsky wies darauf hin, daß der Umstrukturierungsprozeß bei der BVG schon einige Erfolge gebracht habe. So habe sich der Anteil der Personalkosten an den Gesamtkosten bei der BVG von früher 80% auf jetzt 63% reduziert. Das Jahresbudget bei der U-Bahn beläuft sich 1995 auf ca. 500 Mio DM (ohne Investitionen und Abschreibungen), wovon etwa 360 Mio DM auf die Personalkosten entfallen. Ziel ist jedoch ein weiterer Personalabbau, was u.a. durch den "Automatischen Betrieb" bei der U-Bahn erreicht werden soll, nach dessen Endausbau es keine Fahrer mehr, sondern nur noch Zugbegleiter geben soll. Die neuen H-Züge, deren Prototyp im September 1995 ausgeliefert wird, werden bereits für einen automatischen Zugbetrieb ausgerüstet. Aus Sicht der Technischen Aufsichtsbehörde beim Verkehrssenator bestehen aber noch Probleme bei der Sicherheit, der Streckenbeobachtung und der Einfahrt des Zuges in den Bahnhof.

Sprechtag
Die BVG ist auf den 13. Schienenverkehrs-Wochen wieder mit zahlreichen Häuptlingen vertreten, die sich den fragen und Kritiken ihrer Fahrgäste stellen. Den Anfang machte der Untemehmensbereichslei­ter Herr Dr. Klaus Lipinsky. Links neben ihm sitzt der Leiter des U-Bahn-Betriebsdienstes,Herr Klaus Siepert, rechts neben ihm der beim Berliner Fahrgastverband IGEB für die U-Bahn zuständige Abteilungsleiter, Herr Matthias Horth. Foto: I. Schmidt

Daß der rasante Personalabbau gerade bei der U-Bahn im letzten Jahr mit erheblichen Beeinträchtigungen die Fahrgäste verbunden war, z.B. durch die Verlängerung des ausgedünnten Sommerferien-Fahrplanes bis in den Herbst hinein, wurde auch vom U-Bahn-Chef eingeräumt. In diesem Jahr wird der Ferienfahrplan nun tatsächlich auf den Zeitraum der Sommerferien beschränkt bleiben, versicherte Herr Lipinsky.

Ein wichtiges Thema unter den zahlreichen, von den Besuchern angesprochenen Problemen und Fragen waren die mit dem Fahrplanwechsel im Sommer 1994 eingeführten verkürzten Betriebszeiten bei der U-Bahn, wodurch viele Fahrgäste verärgert wurden. Mit dem neuen Fahrplan ab Mai 1995 werden nun endlich (annähernd) die alten Betriebszeiten wiedereingeführt, allerdings werden die ersten und letzten Züge nur noch im 20-Minuten-Takt verkehren. Hinsichtlich der bei den letzten Schienenverkehrs-­Wochen angedeuteten Möglichkeit, bei der einen durchgehenden Nachtverkehr einzurichten, haben die Untersuchungen der BVG ergeben, daß dies mit Mehrkosten von ca. 20 Mio DM/jahr verbunden wäre. Lipinsky unmißverständlich: Wenn der Senat einen durchgehenden Nachtverkehr wolle, müsse er auch dafür bezahlen. Doch auch bei den Politikern hätte nach vorhergehender Zustimmung nun eine Meinungsänderung stattgefunden.

Thematisiert wurde auch die großzügige Fahrzeitbemessung auf der U2, die zu erheblichen Bahnhofsaufenthaltszeiten führt. Nach anfänglichen Anlaufschwierigkeiten beim Einsatz der GI/1-Züge im Westnetz haben sich diese Züge inzwischen als sehr zuverlässig herausgestellt, so daß die Fahrzeit auf der U2 nun um 2 Minuten verkürzt werden soll. Technische Schwierigkeiten gibt es aber nach wie vor mit den neuen A3L92-Zügen, die erst ab Mitte dieses Jahres nach Anpassungsarbeiten vollständig einsatzfähig sein werden. Bis dahin ist auf dem Zehlendorfer Ast der Ul auch weiterhin mit chaotischen Zuständen zu den FU­-Vorlesungszeiten zu rechen, wenn im 6~Minuten-Takt nur mit 6-Wagen Zügen gefahren werden kann. Pläne, den 6-Minuten­-Takt aufeinen 5-Minuten­Takt zu verdichten und dafür den 3-Minuten-­Takt auf dem Kreuzberger Ast (Überlagerung U1/U15) aufzugeben, sind allerdings vom Tisch.

Eine überfällige Fahrzeitverkürzung ist ab Mitte 1996 auch auf der U8 möglich. Bis dahin soll auf dem ehemaligen "Transitabschnitt" die Zugsicherungsanlagen erneuert werden. Dies ist aufgrund von Auflagen der Technischen Aufsichtsbehörde Voraussetzung daß auf der U8 Züge mit einer zulässigen Höehstgeschwindig­ keit von 70 km/h eingesetzt werden, (Die hier eingesetzten erreichen aufgrund der Schaltung eines Geschwindigkeitsbegrenzers derzeit nur max. 50 km/h). Wenn dann die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf dem Neubauabschnitt zwischen Gesundbrunnen und Wittenau von bisher 50 km/h auf 70 km/h erhöht werden kann, hat die ärgerliche Schleichfahrt hier endlich ein Ende und die BVG spart ein bis zwei Umläufe.

Die von vielen Fahrgästen gewünschte Information am Wittenbergplatz, welcher Zug (U1 oder U15) als nächster in Richtung Schlesisches Tor fährt, scheiterte bisher am Landeskonserva­tor, der eine Anzeige in der Vorhalle aus Denkmalschutzgründen ablehnt. Eine zusätzliche Weichenverbindung westlich des Bahnsteiges, welche beiden Zügen die Einfahrt auf dasselbe Gleis ermöglichen würde, ist aufgrund einer notwendigen Trägerverschiebung im Tunnelbereich zur Zeit nicht finanzierbar; und eine Umsteigesituation wie am S-Bf Warschauer Straße (Einstieg von beiden Bahnsteigen) ist wegen der Treppenanlage auf dem südlichen Bahnsteig, die unmittelbar an die Bahnsteigkante grenzt, nicht möglich.

Kritisiert wurden von mehren Fahrgästen die schlechten Anschlüsse an einigen Bahnhöfen während des 10-Minuten-Taktes, z.B. am Wittenbergplatz und am Alexanderplatz. Teilweise wird diesen Problemen mit dem neuen Fahrplan abgeholfen. Positiv angemerkt wurde, daß die Umsteigesituation am U-Bf Berliner Straße (U7/U9) nun besser funktionieren würde. Unbefriedigend blieben aber die Antworten der BVGer zur (Wieder-)Einführung von "Anschlußleuchten" zur Sicherung von Umsteigeanschlüssen zwischen U-Bahn und Straßenbahn bzw, Bus. Auch wenn dieses System nicht für jeden Eventualfall die beste denkbare Lösung darstellt, könnte mit dieser einfachen und preiswerten Lösung doch an so manchem Bahnhof vielen Fahrgästen vor allem in den Abendstunden das Erblicken der Schlußleuchten von Bussen und Straßenbahnen erspart bleiben.

Kritisiert wurden ferner die Zuglängen zu bestimmten Zeiten am Wochenende auf der U8 und abends auf der U9. Besonders im "Theaterverkehr" sind die U-Bahnen, wenn sie nur mit 4-Wagen-Zügen fahren, voller als im Berufsverkehr. Die BVG sicherte hier eine Überprüfung zu. Ärgerlich sind zu kurze Züge auch im Zusammenhang mit der Fahrerselbstabfertigung bei den Linien U8 und U9, da die Spiegel ausschließlich am Bahnsteiganfang angebracht wurden, so daß bei verkürzten Zügen z.T. unnötig lange Fußwege zurüchzulegen sind, vor allem bei Umsteigebahnhöfen und Stationen mit nur einem Zugang. Die Vertreter des Untemehmensbereichs U-Bahn gaben zu, daß man sich bei der Anbringung der Spiegel keine Gedanken darüber gemacht habe, wie bei Verkürzung der Zuglängen zu agieren sei.

Auch wenn nicht alle Fragen zur Zufriedenheit der Fahrgäste beantwortet wurden: Der Sprechtag war interessant und hat sicher zum wechselseitigen Verständnis zwischen Fahrgästen und BVG beigetragen und war damit wohl für alle Beteiligten ein lohnender Abend.

IGEB

aus SIGNAL 3-04/1995 (Juni 1995), Seite 14-15

 

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