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Kummer-Dialog

Hat die IGEB-Ableilung Fahrgastbelange (endlich) Konkurrenz bekommen? Wie es scheint, geht die BVG jetzt ähnliche Wage, um dem allgemeinen Fahrgastkummer nachzuspüren. Die Abteilung Qualitätsmanagement wurde gegründet, und ergründen will man die Sorgen der Fahrgäste mit hunderttausenden neuer Dialogkarten.

Wie Michael Grunwald, der Leiter der neuen BVG-Abteilung in einer Fernsehsendung vom 28. November 1995 kundtat, sollen bereits täglich dreihundert solcher „Kummer"-Karten beim Verkehrsbetrieb eingehen. Auch wenn diese Postkartenflut noch etwas hoch erscheinen mag: allein die genannte Menge deutet auf Veränderung und guten Vorsatz. Man darf also orakeln, was alles wann besser werden wird, wenn die BVG künftig selbst ihren betrieblichen Problemen auf den Zahn fühlt und hoffemlich in einer Vielzahl von Fällen Lösungen zusande bekommt.

Der Berliner Fahrgastverband IGEB wird also weiter am Ball bleiben und ebenso hartnäckig wie kontinuierlich die Schwachstellen im Berliner Verkehr registrieren.Von Fall zu Fall nehmen wir dann auch manchmal mehrere Anläufe, um den Berliner Fahrgästen unnötig lange Umsteigewege oder schlechte Anschlüsse zu ersparen. Und wie so etwas in der Praxis abläuft, soll ein vielleicht nicht sonderlich spektakulärer aber dennoch repräsentativer Fahrgastkummer belegen, dessen weitere Bearbeitung wir hier unseren Lesern hier einmal kundtun wollen. Wir zitieren dabei aus dem Schriftwechsel der IGEB-Abteilung Fahrgastbelange mit dem Verkehrsbetrieb:

IGEB an BVG, April 1995:

„Die räumliche Zusammenfassung von Haltestellen der unterschiedlichen Verkehrsmittel dient auch zur Attraktivitätssteigerung der Öffentlichen Verkehrsmittel. Ein Negativ-Beispiel hierfür ist die Lage der Bushaltestelle U-Bahnhof Rosenthaler Platz, Fahrtrichtung Westen, Linie 340, Etwa 150 Meter vor der nächsten Straßenkreuzung liegt die Haltestelle: einsam und ungünstig, verloren und fahrgastfeindlich. Der Weg zur U-Bahn und zur Straßenbahn ist extrem lang und somit unattraktiv. Wir bitten Sie, die notwendigen Schritte für eine Heranlegung der Haltestelle an die Kreuzung zu veranlassen,‘“

IGEB an BVG, Juni 1995:

„Mit Schreiben vom 8. April 1995 baten wir Sie um Verlegung der Haltestelle der Buslinie 340 am U- Bahnhof Rosenthaler Platz, Fahrtrichtung U-Bahnhof Turmstraße. Damit sollten die Umsteigewege zur U-Bahn und zur Straßenbahn verkürzt werden. Telefonisch teilte Ihr Herr ... unserem Herrn ... einige Tage später die Gründe mit, warum diese Verlegung aus Ihrer Sicht nicht möglich sei. Wir möchten Sie bitten, uns zwecks Auswertung und Dokumentation die Gründe für eine Nicht-Verlegung schriftlich mitzuteilen."

Faltblatt

BVG an IGEB, Juli 1995:

„Ihre Anregung - die Anschluß- und Umsteigebeziehungen im Verkehrsbereich Rosenthaler Platz durch eine Verlegung der Omnibushaltestelle direkt in den Kreuzungsbereich Torstraße vor Brunnenstraße zu verbessern - kann aufgrund vorhandener Verkehrsleiteinrichtungen und baulicher Voraussetzungen nicht realisiert werden. Zur Gewährleistung und Durchsetzung der Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmer würde eine Veränderung des bestehenden Haltestellenstandortes - was bekanntlich in Absprache mit den zuständigen Verwaltungen und Behöden vorgenommen wurde - nicht mehr gegeben sein. Besonders aufzuführen ist, daß zwischen den abfahrenden Bussen in Richtung Torstraße/Friedrichstraße und dem Verkehr, der von der Torstraße kommend und nach rechts in die Brunnenstraße führt, gefährliche Verkehrssituationen entstehen würden und somit dieser Kreuzungsbereich als Unfallschwerpunkt zu betrachten ist. Nach Prüfung der Gegebenheiten vor Ort würde es die Möglichkeit geben, den Haltestellenstandort um ca. 15 m in Richtung Rosenthaler Platz zu verlegen. Aus Kostengründen wird diese Variante, bedingt durch die fußläufige Erreichbarkeit der U-Bahn (U8) und des geringen Fahrgastaufkomrnens, nicht realisiert. Aus den vorgenannten Gründen werden wir den derzeitigen Haltestellenstandort beibehalten."

IGEB an BVG, Anfang Oktober 1995:

„Mit Schreiben vom 24. Juli 1995 ... legen Sie Griüde dar, die Ihrer Meinung nach gegen die Heranlegung der oben genannten Haltestelle an die Straßenkreuzung Torstraße sprechen. Bei der BVG steht, so wird immer wieder gesagt, der Kunde im Mittelpunkt. Leider führen Sie in Ihrer Ablehnung fast ausschließlich Gründe an, die im baulichen Zustand und der fehlenden technischen Beeinflussungsmaßnahmen begründet liegen, Lediglich mit lhrem Hinweis auf das ,geringe Fahrgastaufkommen‘ gehen Sie auf die Fahrgäste ein. Die Tatsache, daß eine Heranlegung der Haltestelle unter den jetzigen Bedingungen nicht durchsetzbar ist, stellen wir gar nicht in Abrede, Wir sind aber sehr wohl der Meinung, daß die BVG sich selber für Verbesserungen im Sinne ihrer Fahrgäste einsetzen solle. Und dazu gehört unter anderem auch die Verkürzung von Umsteigewegen. Die Einfädelung des von der Haltestelle abfahrenden Busses, die dann unmittelbar an der Kreuzung liegt, könnte unterstützt werden durch die in anderen Städten bereits übliche, in Serienfertigung befindliche und ausreichend erprobte autornatische Anforderung eines Sondersignals für den Buss Damit wäre es diesem möglich, ohne Behinderungen durch den Autoverkehr von der rechten in die mittlere (Geradeaus-)Spur zu wechseln, Wir möchten Sie deshalb trotzdem bitten, sich für eine änderung der Verkehrsführung und -beeinflussung einzusetzen."

BVG an IGEB, Ende November 1995:

„Wir haben Ihr Schreiben in obiger Angelegenheiten an die Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe - mit der Bitte um Stellungnahrne und ggf. Abhilfe - weitergeleitet. Sie werden zu gegebener Zeit über den Stand der Sachlage informiert. Bis dahin bitten wir Sie, sich noch etwas zu gedulden.“

[IGEB] Mag sich jeder seine eigene Meinung zu diesem Vorgang bilden. Auch darüber, ob nicht der Verkehrsbetrieb schon hätte nach der ersten Eingabe des Fahrgastverbandes die Verkehrsbehörde Iediglich um Abhilfe statt um Stellungnahme zu bitten. Doch ist dabei auch zu berücksichtigen, daß nur sehr sehr wenig von dem, was Fahrgäste und BVG brauchen, in angemessener Zeit von der Verkehrsbehörde realisiert wird. Es bedarf also nicht nur des Dialogs zwischen Fahrgästen und Verkehrsbetrieben, sondern vielmehr auch der Dialoge zwischen Fahrgästen und Verkehrsbehörde und im Sinne der Fahrgäste auch zwischen kundenfreundlicher BVG und Verkehrsbehöde. Also bitte, liebe BVG ...

IGEB

aus SIGNAL 9-10/1995 (Januar 1996), Seite 4

 

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